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Bayer-Chef Anderson „Zwölf Ebenen zwischen mir und den Kunden sind einfach zu viel“

Seit der Monsanto-Übernahme hat der Bayer-Konzern 70 Prozent seines Börsenwertes verloren. Bayer-Chef Anderson versucht den Absturz zu stoppen – mit einem radikalen Umbau, der zahlreiche Jobs kosten wird.
Bayer-Chef Anderson: Die Aktie ist auf Zehnjahrestief und im freien Fall. Spitze ist derzeit nur der Fußballverein

Bayer-Chef Anderson: Die Aktie ist auf Zehnjahrestief und im freien Fall. Spitze ist derzeit nur der Fußballverein

Foto: Tom Kaeckenhoff / REUTERS

Bayer-Chef Bill Anderson wirbt für das neue Betriebsmodell des Pharma- und Agrarkonzerns, über das manager magazin bereits im Detail berichtet hatte . Dieses Modell, mit dem Anderson Hierarchien abbauen, Strukturen verschlanken und Entscheidungsprozesse beschleunigen will, trage bereits erste Früchte, sagte der Amerikaner, der das Unternehmen seit dem vergangenen Juni führt, am Wochenende. Es handele sich um eine grundlegende Neugestaltung, vom Vorstandschef bis zum Kunden. Damit ist auch ein erheblicher Personalabbau verbunden, wie Bayer bereits im Januar ankündigte – zulasten vieler Führungskräfte. Betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland sind nur noch bis Ende 2026 ausgeschlossen.

Für einen Umbau drängt die Zeit, will Bayer nicht vom einstigen Dax-Champion komplett in der Bedeutungslosigkeit versinken. An der Börse hat das ehemals wertvollste deutsche Dax-Unternehmen seit dem Kauf des Glyphosat-Herstellers Monsanto im Juni 2018 mehr als 70 Prozent an Wert verloren. Bayer ist derzeit gut 27 Milliarden Euro wert – viel weniger, als es einst für die 63 Milliarden Dollar teure Monsanto-Übernahme ausgab.

Personalabbau auch in den USA

Sebastian Guth, Chef des Bayer-Pharmageschäfts in den USA, sagte, dort sei die Zahl der Manager bereits um 40 Prozent reduziert worden. Entscheidungen, die in der Vergangenheit drei bis sechs Monate gedauert hätten, würden nun nahezu unmittelbar gefällt. Im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten in Südostasien – einem wichtigen Wachstumsmarkt für die Sparte – sei es dem Team in weniger als drei Monaten nach Einführung des Modells gelungen, die Einführungstermine für neue Produkte um fünf bis neun Monate vorzuverlegen. „Dies wird in diesem Jahr einen zusätzlichen Wert von zwei Millionen Euro bringen, eine Steigerung um 30 Prozent“, sagte Anderson.

Knapp vier Wochen vor dem mit Spannung erwarteten Kapitalmarkttag – an dem Anderson seine Pläne zur Zukunft von Bayer vorstellen will – gab er damit Einblicke in das neue, vereinfachte Organisationsmodell. Zwölf Ebenen zwischen ihm und den Kunden sei „einfach zu viel“, hatte Anderson schon im November moniert. Das interne Regelwerk umfasse 1362 Seiten. Anderson hat sich vorgenommen, dies um 99 Prozent zu reduzieren. Er will zudem von jährlichen zu 90-tägigen Budgetierungszyklen übergehen und Teams bei Entscheidungen mehr Freiraum geben.

Anregungen von Gary Hamel, erprobt beim Umbau von Roche

Anregungen dafür holt er sich aus der Managementbibel "Humanocracy" des US-Ökonoms Gary Hamel . Erprobt hat Anderson das bereits bei seinem vorigen Arbeitgeber, dem Schweizer Pharmakonzern Roche. Dort strich er in der Pharmasparte etwa feste Budgets. Die Ausgaben seien dadurch gesunken und die Performance gestiegen, zog Anderson damals Resümee.

Der Druck auf den Amerikaner ist hoch. Anleger erwarten von ihm eine Überprüfung der Konzernstruktur - die Forderungen reichten bereits von einer Abspaltung des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten bis hin zu einer kompletten Aufspaltung des Konzerns, zu dem noch das Pharma- und das Agrargeschäft gehören. Doch Insidern zufolge will sich Anderson zunächst auf die Einführung des neuen Betriebsmodells konzentrieren.

Vor allem muss er aber auch das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen, das unter der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto und der US-Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters schwer gelitten hat. Zuletzt hatte Bayer eine Reihe von Glyphosat-Prozessen verloren und war erst kürzlich von einer Jury zu einer Rekordstrafe von 2,25 Milliarden Dollar verurteilt worden. Der Konzern stehe dennoch weiter entschlossen hinter dem Herbizid, entgegnete Anderson auf die Frage, ob Bayer Änderungen bei seiner Prozessstrategie plant.

la/reuters