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Bürgerenergiepreis Bayern geht an Versorgungsnetz Fohlenhof Steingaden

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Vorstand Dr. Michael Barth freut sich über den Preis für die Versorgungsnetz Fohlenhof eG in Steingaden.
Vorstand Dr. Michael Barth freut sich über den Preis für die Versorgungsnetz Fohlenhof eG in Steingaden. © Oliver Sommer

Steingaden – Alljährlich sucht die Bayernwerk AG gemeinsam mit den Bezirksregierungen „Energiehelden“. Also Privatpersonen, Vereine und andere Gruppierungen, die mit ihren Ideen und Projekten einen Impuls für die Energiezukunft in der Region setzen. Dieses Jahr geht der mit insgesamt 50.000 Euro dotierte Preis in Oberbayern an die Versorgungsnetz Fohlenhof eG mit dem Projekt „Nahwärme- und Versorgungsnetz“; eine Auszeichnung auch für den Altbürgermeister Steingadens Xaver Wörle, der mit dem Arbeitskreis Energie die Diskussion und das Engagement dafür angeschoben hatte. 

Noch vor einem Vierteljahr konnte man genau verfolgen, wo die Wärme den Weg in die Häuser findet. In der Welfenstraße, dort wo der Hauptsitz der Genossenschaft auch liegt, wurden die letzten Häuser aus dem ersten Bauabschnitt angeschlossen, jeweils ein Bündel aus Rohren, durch die das heiße Wasser in die Häuser und das kalte wieder herausströmt, dazu noch Leerrohre, die geeignet sind, Glasfaserkabel und Stromleitungen aufzunehmen. Soweit ist die Genossenschaft aber noch nicht. Aber, merkt Dr. Michael Barth an, schaue man auf den Namen „Versorgungsnetz Fohlenhof“, werde klar, dass das schon angedacht ist. Seit etwas über drei Jahren ist der Informatiker und IT-Fachmann der Vorstand der Genossenschaft, auf Vorschlag von Xaver Wörle. Auf den Altbürgermeister Steingadens geht auch die gesamte Idee mit dem Nahwärme- und Versorgungsnetz zurück, die zu Beginn der 2000er Jahre ihren Anfang hat.

Nicht nur Nahwärme

Damals erhielt Steingaden eine eigene Nahwärmeversorgung von der Südwärme AG, die den Fohlenhof, die Grundschule und Pfarrzentrum sowie die Gemeindeverwaltung mit Wärme versorgte. Seinerzeit ausgelegt auf eine Dauer von etwa 15 Jahren, wurde dafür im Nordtrakt des Fohlenhofes ein Biomassekraftwerk errichtet. Schon früh legte Xaver Wörle dann mit dem Arbeitskreis Energie den Grundstein für die Planungen, die Hackschnitzelheizung, die nach Ablauf des Leasingvertrages in den Besitz der Kommune überging, weiter zu nutzen und damit auch den Ortskern Steingadens mit Wärme, langfristig aber eben auch mit Strom und Breitband­internet zu versorgen: die Idee für das Versorgungsnetz Fohlenhof. 2017 schließlich erfolgte die Gründung der Genossenschaft, der aktuell 52 Mitglieder angehören.

Gerade wurde der erste Ausbauschritt, der Anschluss von 42 Anwesen rund um den Marktplatz der Gemeinde, abgeschlossen. „Wir liegen damit genau im Zeitplan der damaligen Planungen“, so Dr. Michael Barth. Dass man diesen würde einhalten können, war dabei nicht selbstverständlich. Denn das Gros der anzuschließenden Gebäude liegt jenseits der B17, die Steingaden teilt und auch „hinter“ diversen Bewässerungskanälen und dem Dorfbach. Dieser wurde mit einem größeren Rohr überwunden, die Bundesstraße ihrerseits untertunnelt, um in den Dorfkern zu gelangen.

Von dort zweigen die Stichleitungen ab und gehen in die Häuser; waren anfänglich nur etwas über zwei Dutzend Interessierte dabei, stiegen die Anträge im Laufe der Realisierung stetig an. Derzeit habe man mehr Genossenschaftsmitglieder, erzählt Dr. Barth, als man mit der Hackschnitzelheizung versorgen könne. Diese ist auf eine gewisse Leistung ausgelegt und läuft zu 100 Prozent. Dank eines ausgeklügelten Computerprogramms erhalten aber alle Teilnehmer heißes Wasser, das vor Ort, dezentral im Haus gespeichert und abgerufen wird, wenn es zum Duschen oder für die Heizung benötigt wird. Alle anderen Mitglieder wüssten, dass sie im nächsten Bauabschnitt angeschlossen werden, erzählt Dr. Barth. Und weiß etwa die Leitung des Seniorenwohnheimes hinter sich. „Sobald wir ausbauen, kommt das Charlotte von Kusserow-Haus sofort dazu.“

Schon in den Anfängen, vor allem mit Unterstützung durch die Energiewende Oberland, wurde nicht knapp, aber gut kalkuliert. So bietet das Versorgungsnetz Fohlenhof einen unschlagbar günstigen Wärmepreis, derzeit rund sieben Cent je Kilowattstunde, festgeschrieben auf 15 Jahre. Und das Projekt als solches ist auch finanziert, anteilig über die Einlagen und den Baukostenzuschuss der Mitglieder, einer halben Million Euro aus Mitteln der KfW-Förderbank sowie einen Kredit mit einer Ausfallbürgschaftszusage der Gemeinde, wo aktuell nur noch die Unterschrift des neuen Bürgermeisters Max Bertl fehlt. Auch die Kommune hat mit der Genossenschaft einen Vertrag auf 15 Jahre abgeschlossen, während derer sie für die Wärmelieferung zuständig ist. In einem nächsten Ausbauschritt, so Barth, sei entweder eine neue, leistungsfähigere und effizientere Hackschnitzelheizung denkbar, um mehr Haushalte zu versorgen. Oder aber der Umbau auf ein Blockheizkraftwerk, das dann nicht nur Wärme, sondern auch Strom liefert. Und mittlerweile hat der Informatiker auch die Zusage der Telekom, das Breitband nach Steingaden zu bringen. Dann wäre bis zu einem Gigabit Datenvolumen möglich, das über das Versorgungsnetz bis ins Haus der Mitglieder kommen würde.

»Verdient großes Lob«

Es ist vor allem dieser Einsatz, den die Bayernwerk AG mit ihrem Bürgerenergiepreis auszeichnet. So heißt es in der Begründung der Jury, dass durch das herausragende ehrenamtliche Engagement der Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte sowie die Mitwirkung vieler Bürger und Bürgerinnen von Steingaden das Projekt Vorbildcharakter habe. „Besonders die erhebliche Koordinationsarbeit, die bei einem derartigen Projekt“ anfalle, gelte es besonders anzuerkennen. Durch die Vorreiterrolle in der Region würden auch benachbarte Gemeinden motiviert, sich aktiv für den Klimaschutz und das Gelingen der Energiewende einzusetzen.

„Dieses vorbildliche Engagement verdient großes Lob“, schließt die Jurybegründung, die auch die Regierungspräsidentin von Oberbayern Maria Els so übernommen hat. Bei einem kleinen Festakt Anfang dieser Woche überreichte sie in der Welfenstraße in Steingaden die Urkunde und den Scheck an Dr. Michael Barth und alle Beteiligten.

Oliver Sommer

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